Barrierefreie Apps entwickeln: Die wichtigsten Kriterien & Tipps
Barrierefreie Apps machen es möglich, dass alle Menschen digitale Inhalte nutzen können. Erfahre, welche Kriterien barrierefreie Appentwicklung erfüllen muss und warum solche Anwendungen auch für Menschen ohne Behinderung von Vorteil sind.
Barrierefreiheit bedeutet, dass digitale Inhalte und Anwendungen so gestaltet sind, dass sie von allen Menschen genutzt werden können – unabhängig von körperlichen, sensorischen oder kognitiven Einschränkungen.
Im Englischen spricht man von Accessibility, was so viel wie Zugänglichkeit bedeutet. Eine barrierefreie App ist also eine App, die keine Hürden für Nutzer schafft und sich flexibel an die Bedürfnisse verschiedener Nutzergruppen anpasst.
Warum ist das so wichtig? Allein in Deutschland leben rund 7,9 Millionen schwerbehinderte Menschen, in Österreich sind es etwa 760.000. Dazu kommen 18,4 Millionen Senioren in Deutschland und rund 1,9 Millionen Menschen in Österreich mit gesundheitlichen Einschränkungen, die oft ebenfalls von barrierefreien Lösungen profitieren.
Doch letztendlich erleichtert Barrierefreiheit die Nutzung für alle: Klare Kontraste helfen nicht nur Menschen mit Sehschwäche, sondern auch bei starker Sonneneinstrahlung. Und eine sprachgesteuerte Navigation ist nicht nur für Menschen mit motorischen Einschränkungen praktisch, sondern auch beim Autofahren oder Kochen.
Bei einem meiner Kundenprojekte konnte ich mich als Web- und Mobile-App-Entwickler erstmals intensiv mit diesem Thema beschäftigen. Ein externer Berater gab mir Richtlinien zur Barrierefreiheit vor, die ich in der Entwicklung umsetzte. Dabei wurde mir schnell klar, wie tief dieses Thema geht – und wie wichtig es ist, es von Anfang an in die App-Entwicklung einzubeziehen.
In diesem Beitrag werfen wir einen genaueren Blick darauf: Was macht Apps barrierefrei? Welche Richtlinien gibt es? Und worauf sollte man bei der Entwicklung achten?
Inhaltsverzeichnis
- Was sind barrierefreie Apps?
- Welche Kriterien muss eine barrierefreie App oder Webanwendung erfüllen?
- Tipp: Barrierefreiheit schon bei der Planung berücksichtigen und Geld sparen
- Welche Programmiersprachen kann man für barrierefreie Apps nutzen?
- So unterstützt iOS Barrierefreiheit
- So unterstützt Android Barrierefreiheit
- FAQ – Häufige Fragen rund um Barrierefreiheit von Apps
Was sind barrierefreie Apps?
Eine barrierefreie App ist eine App, die so programmiert wird, dass jeder Mensch sie bedienen kann. Unabhängig von, ob er eine Behinderung oder körperliche Einschränkung hat oder nicht.
Wenn Apps barrierefrei entwickelt werden, profitiert jeder Mensch davon. In Deutschland leben etwa 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen und 18,4 Millionen Senioren.
Für diese zwei Gruppen ist es besonders wichtig, dass Apps und Webanwendungen barrierefrei gestaltet sind.
Damit das gelingt, sind einige technische und optische Anpassungen bei der Programmierung der App nötig. Welche das genau sind, wird in Richtlinien festgelegt.
Für die Entwicklung von barrierefreien Apps gibt es Richtlinien für Android, iOS und Windows. Zusätzlich gibt es eine europäische Norm, die sich mit diesem Thema detailliert beschäftigt, die EN 301 549.
Damit eine App als barrierefrei gilt, muss sie alle Kriterien der EN 301 549 erfüllen. Hier geht es etwa um die Bedienung der App per Tastatur, Sprachausgabe oder Bildschirmlesegeräten.
Zusätzlich sind klare Kontraste und eine einfache, intuitive Navigation wichtige Punkte. Auch die Möglichkeit, Schriftgrößen anzupassen oder alternative Texte für Bilder bereitzustellen, spielt eine zentrale Rolle bei der Barrierefreiheit.
Die mobilen Betriebssysteme Android und iOS haben eine Vielzahl an Hilfsfunktionen und Konfigurationsmöglichkeiten – die sogenannten Accessibility Features. Übersetzen lässt sich der Begriff mit Zugänglichkeit oder eben Barrierefreiheit.
Eine App gilt als accessible, wenn sie
- leicht anzueignen
- leicht zu benutzen
- und/oder leicht zu verstehen ist.
Welche körperlichen Beeinträchtigungen sollten unbedingt berücksichtigt werden?
Eine barrierefreie App sollte für Menschen mit diesen Behinderungen unbedingt nutzbar sein:
- Blinde Menschen
- Menschen mit Sehbehinderungen
- Menschen mit Farbsehschwäche oder Farbfehlsichtigkeit
- Leute mit motorisch eingeschränkten Händen
Welche Kriterien muss eine barrierefreie App oder Webanwendung erfüllen?
Damit eine App als barrierefrei eingestuft wird, muss sie alle Vorgaben der EN 301 549 erfüllen.
Zusätzlich basiert die Barrierefreiheit im Web und in Apps auf den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), die in drei Stufen unterteilt sind:
- WCAG A → Grundlegende Barrierefreiheit, die verhindert, dass Nutzergruppen vollständig ausgeschlossen werden.
- WCAG AA → Höheres Maß an Barrierefreiheit mit besseren Kontrasten, Navigation und Bedienbarkeit. Diese Stufe ist für viele gesetzliche Vorgaben, wie die EN 301 549, erforderlich.
- WCAG AAA → Das höchste Level mit maximaler Zugänglichkeit, das allerdings nicht für alle Inhalte umsetzbar ist.
Je nach Zielgruppe und gesetzlichen Anforderungen sollte mindestens WCAG AA angestrebt werden, um eine breite Nutzbarkeit sicherzustellen.
Und die Anforderungen sind umfangreich. Wir sehen uns jetzt die wichtigsten Punkte an:
- Farbkontrast
- Screenreadertauglichkeit
- Bedienbarkeit mit Tastatur
- Vergrößerung der Inhalte
Aber auch:
- Bedienbarkeit ohne Maus
- Sichtbarkeit des Tastaturfokus
- Bedienbarkeit bei motorischen Einschränkungen der Hände
Wenn man barrierefreie Apps entwickelt, muss man viele Besonderheiten berücksichtigen.
Farbkontrast
Damit Texte gut lesbar sind, muss der Farbkontrast zwischen Schrift und Hintergrund hoch sein. Laut EN 301 549 sollte das Verhältnis mindestens 4,5:1 betragen. Gerade bei hellem Umgebungslicht oder einer Sehbeeinträchtigung macht das den Unterschied, ob Inhalte erkennbar bleiben oder verschwimmen.
Eine barrierefreie App oder Webanwendung muss deshalb immer einen großen Farbkontrast zwischen Schriftfarbe und Hintergrundfarbe haben. Es gibt inzwischen eigene Software und Websites, in denen man den Kontrast analysieren lassen kann.
Kleines Beispiel: Hellgraue Schrift auf weißem Hintergrund, ist nicht nur für Menschen mit Sehschwäche kaum lesbar.
Screenreadertauglichkeit
Damit blinde oder sehbehinderte Menschen eine App nutzen können, muss sie mit Screenreadern wie VoiceOver (iOS) oder TalkBack (Android) kompatibel sein. Dafür müssen alle interaktiven Elemente eine klare und verständliche Beschreibung haben.
Ein Button, der nur „Mehr“ heißt, hilft nicht wirklich. Besser wäre: „Mehr Informationen zu Artikel XY“. Das gilt auch für Bilder – ein alternativer Text (Alt Tag) sollte immer angeben, was darauf zu sehen ist, sofern es inhaltlich relevant ist.
Ohne eine sinnvolle Struktur und Beschreibung kann eine App für Screenreader-Nutzer schnell zur Sackgasse werden.
Bedienbarkeit mit Tastatur
Nicht alle Menschen können eine Maus oder einen Touchscreen bedienen. Eine barrierefreie App muss sich daher komplett mit der Tastatur steuern lassen. Dazu gehört, dass man mit der Tab-Taste durch die Inhalte springen kann und wichtige Funktionen über Tastenkombinationen erreichbar sind.
Besonders wichtig: Die Reihenfolge beim Springen sollte logisch sein. Niemand möchte erst durch 20 Menüpunkte hüpfen, bevor er das Login-Feld erreicht.
Vergrößerung der Inhalte
Texte und Bedienelemente sollten sich vergrößern lassen, ohne dass das Layout auseinanderfällt. Das betrifft nicht nur die Schriftgröße, sondern auch Buttons, Menüs und Formulare.
Der Inhalt muss um bis zu 200 % vergrößert werden können.
In vielen Betriebssystemen kann man die Schriftgröße global hochstellen – eine App sollte das unterstützen. Außerdem ist es hilfreich, wenn Nutzer die Schrift direkt in der App anpassen können.
Was nicht geht: Starre Layouts, bei denen vergrößerter Text einfach abgeschnitten wird oder über andere Elemente ragt.
Bedienbarkeit ohne Maus
Eine App sollte auch dann funktionieren, wenn man sie nicht per Maus oder Touchscreen bedienen kann. Das betrifft nicht nur die Steuerung per Tastatur, sondern auch alternative Eingabemethoden wie Sprachsteuerung oder Schaltersteuerung für Menschen mit motorischen Einschränkungen.
Wer eine App mit Sprachbefehlen oder einem einzelnen Schalter steuert, muss durch Menüs und Formulare navigieren können, ohne an einer unzugänglichen Schaltfläche zu scheitern.
Sichtbarkeit des Tastaturfokus
Wer per Tastatur durch eine App navigiert, muss immer sehen können, welches Element gerade ausgewählt ist. Das funktioniert über einen sichtbaren Fokusrahmen – also eine farbliche Hervorhebung des aktiven Elements.
Schlecht: Der Fokus ist entweder gar nicht sichtbar oder nur als hauchdünne, kaum erkennbare Linie.
Gut: Ein deutlicher Kontrast, sodass immer klar ist, wo man sich gerade befindet.
Bedienbarkeit bei motorischen Einschränkungen der Hände
Nicht jeder kann kleine Schaltflächen präzise treffen oder komplizierte Wischgesten ausführen. Eine barrierefreie App bietet deshalb gut erreichbare, große Buttons und verzichtet auf überflüssige Doppel-Taps oder Mehrfinger-Gesten.
Auch wichtig: Anpassbare Steuerungen, mit denen sich Eingaben erleichtern lassen – etwa durch eine längere Haltezeit für Berührungen oder die Möglichkeit, versehentliche Mehrfachklicks zu ignorieren.
Interessanter Artikel: In 9 einfachen Schritten von der App Idee zur Umsetzung
Tipp: Barrierefreiheit schon bei der Planung berücksichtigen und Geld sparen
Wer barrierefreie Apps entwickeln lassen möchte, sollte das Thema nicht erst am Ende der Entwicklung angehen. Es lohnt sich, Barrierefreiheit von Anfang an in den Prozess zu integrieren.
Das spart nicht nur Kosten, sondern verhindert auch aufwendige Nachbesserungen, die sich durch die gesamte App ziehen können. Aus Erfahrung kann ich sagen:
Wer Barrierefreiheit erst kurz vor dem Release überprüft, riskiert teure Nachbesserungen. In vielen Fällen müssen UI-Elemente, Navigation oder Interaktionsmöglichkeiten vollkommen überarbeitet werden. Besonders problematisch wird es, wenn die App auf einem Framework basiert, das von Anfang an nicht barrierefrei konzipiert wurde.
Warum frühzeitige Planung entscheidend ist
Barrierefreiheit betrifft nicht nur die Bedienungshilfen eines Betriebssystems, sondern auch Design, Usability und Code-Struktur. Viele Herausforderungen lassen sich vermeiden, wenn Barrierefreiheit schon in der Konzeptphase berücksichtigt wird. Wird sie erst später eingebaut, kann das teuer werden.
Ein Beispiel: Viele Apps nutzen Farben, um Statusmeldungen zu vermitteln – etwa Rot für Fehler und Grün für Erfolge. Doch es gibt mindestens 17 verschiedene Formen der Farbblindheit, und nicht jeder Nutzer kann diese Farbtöne unterscheiden.
Wer erst nach der Entwicklung feststellt, dass das Design nicht für alle nutzbar ist, muss Symbole oder Texte nachträglich ergänzen. Das bedeutet zusätzlichen Design- und Entwicklungsaufwand.
Ähnliches gilt für die Schriftgrößenanpassung. Damit barrierefreie Apps auch für Menschen mit Sehschwäche nutzbar sind, müssen Texte vergrößert werden können, ohne dass Inhalte abgeschnitten oder das Layout unübersichtlich wird.
Wenn von Anfang an dynamische Layouts eingeplant werden, bleibt die App auch bei größeren Schriftgrößen nutzbar. Wird das erst nachträglich umgesetzt, sind oft umfangreiche Änderungen an der gesamten UI nötig.
Schau auch mal hier: Wie viel kostet die Entwicklung einer App?
Barrierefreiheit als Investition in Qualität und Zukunftssicherheit
Apps, die von Anfang an barrierefrei konzipiert werden, profitieren langfristig. Zum einen erfüllen sie frühzeitig gesetzliche Anforderungen wie die EN 301 549, zum anderen verbessern sie die Nutzererfahrung für alle.
Viele Prinzipien der Barrierefreiheit – etwa eine logische Navigation oder gut lesbare Texte – kommen auch Nutzern ohne Einschränkungen zugute.
Ein weiterer Vorteil: Automatisierte UI-Tests profitieren von Barrierefreiheits-Labels. Wenn Buttons, Formulare oder interaktive Elemente von Beginn an mit sinnvollen Beschriftungen versehen werden, können sie nicht nur von Screenreadern erfasst werden, sondern auch von Testsystemen. Das macht die Qualitätssicherung einfacher und effizienter.
Mein Tipp: Früh planen, Zeit, Geld und Nerven sparen
Barrierefreie Apps zu entwickeln bedeutet nicht zwangsläufig mehr Aufwand – wenn die richtige Strategie gewählt wird. Wer frühzeitig auf eine inklusive Gestaltung achtet, vermeidet kostspielige Anpassungen und sorgt für eine bessere Nutzererfahrung.
Ich habe mich in mehreren Projekten intensiv mit diesem Thema beschäftigt und weiß, worauf es ankommt. Falls du Fragen zur Umsetzung hast oder Unterstützung brauchst, stehe ich gerne zur Verfügung.
Barrierefreiheit beginnt lange vor dem Entwickeln der App. Sie muss schon in der Planung berücksichtigt werden.
Mit ausgiebigen Tests zur barrierefreien App
Um sicher zu sein, dass eine App barrierefrei ist, führt kein Weg an umfassenden Tests vorbei. Dabei gibt es zwei wesentliche Methoden: manuelles Testen mit aktivierten Bedienungshilfen und automatisierte Tests mit speziellen Tools. Beide Ansätze sind wichtig, denn nur so lassen sich Schwachstellen aufdecken.
Ein automatisierter Accessibility-Test, etwa mit dem Accessibility Inspector in Xcode, überprüft, ob die App grundlegende Anforderungen erfüllt – zum Beispiel, ob alle interaktiven Elemente korrekt ausgezeichnet sind. Besonders praktisch ist die Live-Preview-Funktion.
Welche Programmiersprachen kann man für barrierefreie Apps nutzen?
Es gibt unzählige Programmiersprachen, aber nicht mit allen können Apps barrierefrei entwickelt werden. Wichtig ist, dass die Sprache auf die nativen Bedienungshilfen des jeweiligen Betriebssystems zugreifen kann. Aktuell sind das:
- Java oder Kotlin für Android
- Swift oder Objective-C für iOS
Diese Sprachen ermöglichen es, Screenreader, Kontrasteinstellungen und andere Bedienungshilfen direkt zu integrieren.
Cross-Plattform-Frameworks als Alternative
Neben nativen Apps gibt es auch Cross-Plattform-Lösungen, mit denen man barrierefreie Apps für Android und iOS gleichzeitig entwickeln kann. Hier einige bekannte Frameworks:
- Ionic (JavaScript/TypeScript) → Greift auf die nativen Bedienungshilfen von iOS und Android zu.
- Flutter (Dart) → Unterstützt Googles Accessibility-Features und erlaubt eine moderne UI-Entwicklung.
- .NET MAUI (C#) → Nutzt die systemeigenen Accessibility-APIs beider Plattformen.
Diese Frameworks sparen Zeit, da nur eine Codebasis gepflegt werden muss. Allerdings gibt es je nach Plattform Unterschiede bei der Umsetzung von Barrierefreiheitsfunktionen. Gerade Screenreader oder spezielle Eingabehilfen müssen oft individuell angepasst werden.
Progressive Web-Apps: Eine flexible Lösung
Eine weitere Möglichkeit sind Progressive Web-Apps (PWAs). Sie laufen über den Browser und können mit einer Codebasis sowohl unter Android als auch iOS genutzt werden. Entwickelt werden sie mit:
- HTML
- CSS
- JavaScript
Moderne Browser unterstützen inzwischen viele Barrierefreiheitsfunktionen wie Screenreader oder hohe Kontrasteinstellungen. Allerdings sind PWAs nicht so tief ins Betriebssystem integriert wie native Apps.
Besonders bei komplexen Interaktionen oder Gesten kann das zu Einschränkungen führen. Zudem können sie nicht ohne Weiteres in den App Stores veröffentlicht werden, was für einige Projekte ein Nachteil sein kann.
Am Ende hängt die Wahl der Programmiersprache also stark davon ab, welche Anforderungen eine App hat und auf welchen Plattformen sie laufen soll.
So unterstützt iOS Barrierefreiheit
Apple bietet eine Vielzahl an Funktionen, die Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen helfen, ihr iPhone oder iPad problemlos zu nutzen. Diese eingebauten Bedienungshilfen machen es möglich, dass Inhalte nicht nur gesehen, sondern auch gehört oder per alternativer Eingabe gesteuert werden können.
Für App-Entwickler bedeutet das: Wer seine Anwendung barrierefrei gestalten will, sollte diese Features von Anfang an berücksichtigen.
Hier sind einige der wichtigsten Funktionen, die iOS für mehr Barrierefreiheit bietet:
Texte vorlesen mit VoiceOver
VoiceOver ist eine Bildschirmlesefunktion, die Inhalte laut vorliest. Sie erkennt nicht nur Texte, sondern kann auch Bilder und Gesichtsausdrücke auf Fotos beschreiben. Selbst eingebettete Texte in Bildern oder Untertitel in Videos können vorgelesen werden.
Aktiviert wird VoiceOver per Sprachbefehl („Siri, aktiviere VoiceOver“) oder über die Einstellungen.
Gesten als Befehle
Mit iOS kannst du mithilfe von Gesten durch Apps und Webseiten navigieren. Als Beispiel fällt mir der Rotor ein. Dabei macht man eine Drehgeste mit zwei Fingern – so als würde man etwas aufdrehen. So kann man durch eine Website, Dokumente oder Apps navigieren.
Bei einer News-Website kannst du mit dem Rotor etwa von Artikel zu Artikel springen.
Den Gesten können Befehle zugeordnet werden – man spricht von Braille. Systemweit werden Braillecodes in 6- und 8-Punkt Braille unterstützt. Du kannst Braille also auch ohne physische Tastatur eingeben.
Insgesamt gibt es über 80 internationale Braille-Tabellen und etwa 70 aktualisierbare Braille-Zielen.
Die Lupe und der Kontrast
Neben VoiceOver und Gesten können Bildschirminhalte bei iOS auf das 1.500-fache vergrößert werden. Die Funktion heißt Zoom und kann Texte systemweit größer darstellen.
Wer möchte, kann auch den Kontrast erhöhen oder Transparenz und Bewegungen reduzieren. Diese Einstellungen funktionieren übrigens auch, wenn der Darkmode aktiv ist.
Unterstützung bei motorischen Einschränkungen
Wer Schwierigkeiten hat, den Touchscreen präzise zu bedienen, kann auf alternative Steuerungsmöglichkeiten zurückgreifen. Dazu gehören:
- Sprachsteuerung für Eingaben per Sprache
- Schaltersteuerung, die Kopfbewegungen oder externe Schalter als Eingabemethoden nutzt
- Anpassbare Touch-Bedienung, um versehentliche Berührungen zu vermeiden
Hörhilfen und visuelle Hinweise
Für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen unterstützt iOS moderne Hörgeräte und bietet Funktionen wie:
- Mono-Audio & Balance-Regler zur individuellen Klangsteuerung
- Echtzeit-Untertitel für Gespräche und Medien
- Visuelle Hinweise, z. B. das Aufleuchten des LED-Blitzes anstelle von Tönen
AssistiveTouch und geführter Zugriff
Wer nicht immer das Display berühren kann oder möchte, kann AssistiveTouch aktivieren. Damit lassen sich Gesten und Funktionen über ein On-Screen-Menü steuern. Der geführte Zugriff hilft zudem dabei, Ablenkungen zu vermeiden – indem er bestimmte Bereiche des Bildschirms sperrt oder die Nutzung auf eine einzige App beschränkt.
Siri und Kurzbefehle für mehr Barrierefreiheit
Siri kann nicht nur das iPhone steuern, sondern auch viele Bedienungshilfen aktivieren. Wer mag, kann Siri per Texteingabe statt Sprachbefehl nutzen. Und mit der Kurzbefehle-App lassen sich Abläufe automatisieren – praktisch, wenn man bestimmte Bedienungshilfen schnell ein- oder ausschalten will z. B. mit einem einzigen Tipp den Dark Mode, VoiceOver und hohe Kontraste gleichzeitig zu aktivieren.
So unterstützt Android Barrierefreiheit
Ähnlich wie iOS bietet auch Android eine breite Palette an Bedienungshilfen, um Menschen mit Seh-, Hör- oder Motorik-Einschränkungen zu unterstützen.
Diese Funktionen sind tief ins System integriert und ermöglichen es Nutzern, Apps per Sprache, Gesten oder alternativen Eingabemethoden zu steuern.
Für App-Entwickler bedeutet das: Wer eine barrierefreie Android-App entwickeln möchte, sollte die eingebauten Accessibility-Funktionen von Anfang an berücksichtigen.
Hier sind einige der wichtigsten Funktionen, die Android für mehr Barrierefreiheit bietet:
Texte vorlesen mit TalkBack
TalkBack ist das Android-Pendant zu VoiceOver. Es handelt sich um eine Screenreader-Funktion, die Bildschirminhalte laut vorliest und Nutzern mit Sehbeeinträchtigungen hilft, durch das System und Apps zu navigieren.
Besonders wichtig ist die Möglichkeit, sich Buttons, Menüpunkte und Textelemente per Berührung vorlesen zu lassen. TalkBack unterstützt zudem haptisches Feedback und anpassbare Gestensteuerung, um die Bedienung noch einfacher zu machen.
Gestensteuerung und alternative Navigation
Für Menschen mit motorischen Einschränkungen bietet Android zahlreiche alternative Steuerungsmöglichkeiten:
- Schaltersteuerung (Switch Access) → Ermöglicht die Steuerung des Geräts mit externen Schaltern oder Tasten.
- Gestennavigation → Nutzer können das Gerät per Fingergesten steuern, ohne auf kleine Schaltflächen tippen zu müssen.
- Sprachsteuerung → Mit „Hey Google“ können viele Systemfunktionen per Sprache ausgeführt werden.
Hoher Kontrast und Bildschirmvergrößerung
Für Menschen mit Sehbehinderungen gibt es in Android verschiedene Anpassungsmöglichkeiten:
- Hoher Kontrastmodus → Verbessert die Lesbarkeit von Texten und UI-Elementen.
- Farbumkehr → Wandelt Farben um, um den Kontrast für bestimmte Sehschwächen zu erhöhen.
- Vergrößerungsgesten → Erlaubt es Nutzern, per Drei-Finger-Tipp den Bildschirm zu vergrößern und sich leichter durch Inhalte zu bewegen.
Untertitel und Audio-Anpassungen für Menschen mit Hörbehinderung
Android unterstützt Live-Untertitel (Live Caption), die in Echtzeit erzeugt werden – selbst für Audiodateien, die keine Untertitel enthalten. Weitere Funktionen für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen sind:
- Mono-Audio & Balance-Einstellungen → Ermöglicht es, den Klang gezielt auf ein Ohr auszurichten.
- Visuelle Benachrichtigungen → Anstelle von Tönen können visuelle Signale wie Bildschirmblitze genutzt werden.
Anpassbare Touch-Steuerung und Eingabehilfen
Für Menschen mit motorischen Einschränkungen gibt es verschiedene Anpassungsmöglichkeiten für die Touch-Steuerung:
- Verzögerte Berührungseingabe → Hilft Nutzern, versehentliche Berührungen zu vermeiden.
- Automatische Klicks → Wandelt lange Berührungen in Klicks um, um die Bedienung zu erleichtern.
- Haptisches Feedback → Gibt ein taktiles Signal bei bestimmten Aktionen, um die Bedienung greifbarer zu machen.
Android Accessibility Suite: Alles in einer App
Google hat mit der Android Accessibility Suite eine Sammlung von Bedienungshilfen geschaffen, die verschiedene Funktionen in einer App bündeln. Dazu gehören:
- TalkBack (Screenreader)
- Schaltersteuerung (Switch Access)
- Text-zu-Sprache-Funktionen
- Farb- und Kontrasteinstellungen
FAQ – Häufige Fragen rund um Barrierefreiheit von Apps
Hier findest du Fragen, die uns Kunden und Kundinnen immer wieder stellen, wenn es es um barrierefreie Apps und Webanwendungen geht.
Müssen alle Apps barrierefrei sein?
Nein, aber für bestimmte Apps gibt es gesetzliche Vorgaben zur Barrierefreiheit – abhängig davon, wer sie anbietet.
In Deutschland regelt das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG § 12a), dass öffentliche Stellen des Bundes ihre Websites und Apps barrierefrei gestalten müssen. Dazu gehören auch digitale Verwaltungsprozesse. Unternehmen sind derzeit nicht verpflichtet, barrierefreie Apps anzubieten, es sei denn, sie entwickeln Apps für öffentliche Einrichtungen oder arbeiten mit bestimmten Zielvereinbarungen.
In Österreich gibt es mit dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) eine ähnliche Regelung für öffentliche Stellen. Zudem wird ab 2025 das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft treten. Es verpflichtet auch private Unternehmen, digitale Produkte und Dienstleistungen barrierefrei anzubieten, sofern sie in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen.
Kurz gesagt:
- Apps von Behörden und öffentlichen Einrichtungen müssen barrierefrei sein.
- Private Unternehmen sind in Deutschland nicht verpflichtet, in Österreich jedoch ab 2025 für bestimmte digitale Angebote.
Seit wann gibt es barrierefreie Webanwendungen und Apps?
Die Idee der digitalen Barrierefreiheit gibt es schon seit den frühen 2000er-Jahren, als das Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)-Projekt ins Leben gerufen wurde. Die erste Version der WCAG wurde 1999 veröffentlicht und diente als Grundlage für viele nationale Gesetze zur digitalen Barrierefreiheit.
Im Bereich der Apps wurde das Thema mit dem Aufstieg von Smartphones immer wichtiger. Apple integrierte VoiceOver 2009 in iOS, und auch Android zog mit TalkBack nach. Spätestens mit der EN 301 549 (europäische Norm zur digitalen Barrierefreiheit) und dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das ab 2025 verpflichtend wird, sind barrierefreie Apps nicht mehr nur eine Empfehlung, sondern in vielen Bereichen Pflicht.
Wer profitiert von barrierefreien Apps?
Barrierefreie Apps sind nicht nur für Menschen mit Behinderungen wichtig – sie verbessern die Nutzung für alle. Hier einige Gruppen, die besonders profitieren:
- Menschen mit Sehbehinderungen oder Blindheit → Nutzen Screenreader und hohe Kontraste.
- Menschen mit motorischen Einschränkungen → Profitieren von alternativen Eingabemethoden wie Sprachsteuerung.
- Menschen mit Hörbehinderungen → Benötigen Untertitel und visuelle Hinweise.
- Senioren → Haben oft Seh-, Hör- oder Motorik-Probleme und profitieren von einfachen Bedienkonzepten.
- Menschen mit temporären Einschränkungen → Wer sich z. B. den Arm gebrochen hat, kann Sprachsteuerung nutzen.
- Alle Nutzer in speziellen Situationen → Barrierefreie Funktionen helfen auch, wenn man bei starkem Sonnenlicht unterwegs ist (hoher Kontrast), Kopfhörer vergessen hat (Untertitel) oder gerade keine Hände frei hat (Sprachsteuerung).
Kurz gesagt: Barrierefreiheit ist kein Nischen-Thema, sondern verbessert die Nutzung für alle.
Ist es teuer barrierefreie Apps entwickeln zu lassen?
Nicht unbedingt. Wenn Barrierefreiheit von Anfang an eingeplant wird, sind die Kosten kaum höher als bei normalen Apps. Teuer wird es nur, wenn nachträgliche Anpassungen nötig sind.
Welche Gesetze regeln die Barrierefreiheit in Apps?
Wichtige Gesetze und Standards sind:
- EN 301 549 (europäische Norm für digitale Barrierefreiheit)
- Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)
- Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ab 2025
Mein Fazit
Barrierefreie Apps sind nicht nur ein gesetzlicher Standard, sondern eine echte Verbesserung für alle Nutzer. Eine gut durchdachte Barrierefreiheit sorgt für mehr Nutzerfreundlichkeit, bessere Reichweite und eine nachhaltige App-Qualität.
Viele Unternehmen und Entwickler unterschätzen den Aufwand, wenn Barrierefreiheit erst nachträglich integriert wird. Dabei lassen sich viele Stolperfallen vermeiden, wenn Accessibility von Anfang an mit eingeplant wird.
Ich habe mich intensiv mit diesem Thema beschäftigt und unterstütze Unternehmen dabei, barrierefreie Apps von der Idee bis zur Umsetzung zu entwickeln. Wenn du eine App planst und sicherstellen willst, dass sie für alle Menschen nutzbar ist, dann melde dich gerne bei mir! Ich bin immer offen für spannende App-Projekte und berate dich gerne zu den passenden Lösungen.
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